Welche Auswirkungen hat der Ukraine-Krieg auf Kunst und Kultur im Land? Wie können Deepfakes identifiziert werden, und welchen Herausforderungen sehen sich die Menschen im Libanon gegenüber? Die 7. Runde des nextReality.Contests zeigt eindrucksvoll, wie immersive Medien genutzt werden können, um gesellschaftlich relevante Themen erlebbar zu machen.
Bei einer festlichen Preisverleihung am 10. November 2023 wurden Vorreiter:innen im Bereich der immersiven Technologien mit dem Branchenpreis #XRC23 vom Verein nextReality.Hamburg e.V. in der Astor Film Lounge HafenCity ausgezeichnet.
Um 17 Uhr öffneten sich die Türen der Astor Film Lounge HafenCity für die 115 geladenen Gäste des nextReality.Contest. Nominierte, Jurymitglieder, Unternehmer:innen und Freunde der XR-Branche kamen zusammen, um Innovationsprojekte aus den Bereichen Virtual Reality, Augmented Reality, 360° und Mixed Reality aus ganz Europa zu feiern. Der Verein nextReality.Hamburg gibt kreativen Ideen eine Bühne und präsentierte mit der Preisverleihung am Freitag die Highlights der diesjährigen Einreichungen.
Schon tagsüber gab es die Möglichkeit, sich auf der XR-Ausstellung im VRHQ und im FTZ (Forschungs- und Transferzentrum Digital Reality) die nominierten Anwendungen anzusehen und selbst zu erleben. 20 Aussteller:innen präsentieren ihre Projekte, beantworteten Fragen und gaben Einblicke in die Entwicklung ihrer Werke. Die Zeit wurde genutzt, um sich interdisziplinär auszutauschen.
Im Zeitraum von April bis August waren Unternehmen dazu aufgerufen, originelle Ideen, innovative und kreative Projekte aus den Bereichen Augmented, Mixed und Virtual Reality in 9 verschiedenen Kategorien einzureichen.
In der Kategorie Interactive Education wurden Anwendungen gesucht, die gezielt und effizient Wissen vermitteln. Zeitgeist bezog sich auf die aktuellen Geschehnisse in der Gegenwart, ganz egal ob journalistisch oder künstlerisch. In der Kategorie International Production konnten XR-Projekte aus aller Welt eingereicht werden. Auch in den schon länger bekannten Kategorien: Interactive Business, Interactive Entertainment, Best Installation, Young Talent und Best Technology konnten Anwendungen eingereicht werden.
Die eindrucksvollsten Lösungen aus insgesamt knapp 100 eingereichten Projekten wurden von einer unabhängigen Jury ausgewählt und prämiert.
Mit Preisgeldern in Höhe von insgesamt 14.000 Euro, sowie Meta Quest 3 Headsets gehört der Award zu den bedeutendsten Preisen der Branche und ist wegweisend für die Entwicklung immersiver Medien und Zukunftstechnologien in Deutschland.
Der Juryprozess des nextReality.Contest
Gruppenbild von links nach rechts Lars Eckernkemper, Ines Hilz, Oliver Hagedorn, Dajana Eder, Andres Hebbel-Saeger, Mike John Otto, Christiane Wittenbecher, Robert M. Taylor
In Vorbereitung auf die Entscheidungen wurden die 5 bestbewerteten Anwendungen je Kategorie für die Jury vorbereitet, d.h. installiert und zum Testen aufgebaut. Am 11. Oktober um 9 Uhr ging es los, eingereichte Anwendungen wurden von den Juroren:innen im FTZ in Hamburg getestet, bewertet und diskutiert.
Schlussendlich konnte sich die 10-köpfige, interdisziplinäre Jury bestehend aus Expert:innen wie:
- Dr. Andreas Hebbel-Seeger, Professor für Medienmanagement am Campus Hamburg der Hochschule Macromedia, Professor für Medienmanagement Hochschule Macromedia
- Christoph Spinger, Developer Immersive Products, AR/VR Software Engineer bei Axel Springer
- Dajana Eder, Creating Diversity in Web 3.0, Web3 Founder, Consultant & Speakerin
- Ines Hilz, XR-Designerin
- Sandra Kiel, Co-Founderin und Managing Director Event Punks GmbH
- Robert Taylor, Technology Strategist and a member of the Office of the CTO at Microsoft
- Mike John Otto, Director Creative Technology Grabarz & Partner
- Oliver Heidorn, Director Creative Technology bei Grabartz & Partner
- Christiane Wittenbecher, Referentin Unternehmenskommunikation bei Cornelsen Verlag GmbH
- Aya Jaff, Autorin und Unternehmerin
gegen 17 Uhr auf die Nominierten und Gewinner einigen. Die Juroren:innen haben es sich nicht leicht gemacht, Entscheidungen zu treffen.
Die Preisverleihung
Am 10.11.2023 war es dann soweit, die XRC23 Awards wurden in der Astor Film Lounge HafenCity feierlich übergeben.
Daniela Dinnes und Lars Eckernkemper führten durch den Abend und schafften mit ihrer sympathischen Moderation eine feierliche Stimmung für die Preisverleihung.
Daniela Dinnes und Lars Eckernkemper
Die Jurymitglieder Andreas Hebbel-Seeger, Dajana Eder, Ines Hilz, Sandra Kiel, Oliver Heidorn und Robert Taylor ließen es sich nicht nehmen, je eine Laudatio zu halten und einen Award zu überreichen. Ebenso tat es Camillo Stark, MSM.digital, der die erste Laudatio am Abend übernahm und im Namen von MSM.digital und Meta verkündete, dass sich alle Gewinner:innen über eine Meta Quest 3 freuen können. Thomas Riedel, der den XRC den ganzen Tag auf Instagram dokumentierte, vergab den Community Award. Auch Claudia Kiani, Vorstand für Marketing & Kommunikation bei nextReality.Hamburg, überreichte einen Award.
Thomas Riedel, Dajana Eder, Rober M. Taylor
Gefeiert wurden die Gewinner:innen der Preiskategorien:
Interactive Business
Hier wurden spannende Lösungsansätze auf Basis von VR- oder AR-Technologie gesucht, um den Herausforderungen der Wirtschaft zu begegnen. Über den Award, 2000 Euro Preisgeld und eine Meta Quest 3 können sich COUP – Cockpit for Collaborative Urban Planning von der Professur Digital City Science der Hafen City Universtität Hamburg freuen.
Der COUP dient der Zusammenarbeit und Entscheidungsfindung in der Stadtplanung. Durch einen AR-Tisch und eine zugehörige Website ermöglicht der COUP Designexperten, Echtzeit-Analysen von Stadtplanungsvorschlägen durchzuführen, inklusive Simulationen wie Wind- und Fußgängerbewegung. Architektur- und Stadtplanungsfirmen können ihn als Planungsmodul nutzen, um gemeinsam Gebäudekonfigurationen zu erstellen und frühzeitig Simulationsergebnisse zu erhalten. Im Master Stadtplanung der HCU wird der COUP zur Problemlösung in Projekten eingesetzt. (Bild: Vincent Holtorf und Kollege)
Interactive Entertainment
Gesucht wurden einzigartige und kreative Spielerlebnisse, die auf VR oder AR setzen – innovatives Storytelling, kreative Features und packendes Entertainment! Am meisten überzeugt hat das Projekt VR GIANTS von Risa Interactive aus Graz. In VR Giants übernehmen Spieler die Rollen von Goliath, einem vom VR-Spieler gesteuerten Riesen, und David, einer kleinen Person, die vom Bildschirmspieler gelenkt wird. Gemeinsam lösen sie Rätsel in verschiedenen Umgebungen wie Wüsten, Eisbergen und Lavahöhlen, um Davids verlorene Schafe zu retten. Die Besonderheit liegt in der Machtbalance zwischen den beiden: Goliath ist an einen Anker gebunden, kann schwere Objekte heben und ist unbesiegbar, während David beweglich, aber verwundbar ist. Nur durch gute Kommunikation und Teamwork können sie erfolgreich zusammenarbeiten. (Bild: Wolfgang Tschauko)
Interactive Education
In der beliebtesten Kategorie in diesem Jahr drehte sich alles um interaktives Lernen mit Hilfe von XR-Technologien. Immersive Anwendung mit pädagogischen Ansätzen oder Trainingstools, bei der didaktische Aspekte im Fokus stehen. Innerhalb dieser neuen Kategorie gab es die meiste Konkurrenz. Die Jury hat sich letztendlich für die UYC – My AR Creature Workshop von slanted realities aus Berlin entschieden und die Anwendung mit dem XRC Award ausgezeichnet!
Mit einem Workshop-Format vermittelten slanted realities den Jugendlichen Handwerkszeug zur Gestaltung von Augmented Reality (AR) Inhalten. Teilnehmer:innen skizzierten Kreaturen, modellierten sie in 3D, gestalteten Texturen und Animationen. Individuelle QR-Codes auf Postkarten ermöglichen das Teilen und Behalten des AR-Erlebnisses. Das Projekt verbindet Bildung mit neuer Technologie, fördert Kreativität und Teamarbeit, bietet eine interaktive Erfahrung und befähigt Jugendliche, aktiv ihre Umwelt mit neuen Medien zu gestalten. (Bild: Hojin Kang und Erik Freydank)
Young Talent
XR-Projekte, die ausschließlich von Schülern:innen und Studenten:innen kommen. Das Rennen machte From the Main Square von der Film Universität Babelsberg Konrad Wolf aus Berlin. Eine Zivilisation erblüht mit all ihren Widersprüchen, nur um zu einer Gefahr für sich selbst zu werden. Eine neue Stadt entsteht um einen zentralen Platz herum, geprägt von Vielfalt. Ein Kreuzungspunkt von Geschichten, Gebäuden, Hoffnungen und Konflikten. Soziale Bindungen und Kulturen nehmen Wurzeln auf. Menschen pflegen Mitgefühl und kümmern sich um Gleichgesinnte, aber auch um Feindseligkeit gegenüber denen, die anders sind. Es dauert nicht lange, bis eine „wir gegen sie“-Atmosphäre entsteht. „From the Main Square“ ist eine interaktive VR-Erfahrung, die den Betrachter einlädt, den Aufstieg und Fall einer gespaltenen Gesellschaft zu erleben. (Bild: Pedro Harres und Lars Eckernkemper)
Best Technology
Technologie und Innovationen sind für die Branche der immersiven Medien und ihre Industrie essentiell. Und genau darum ging es in dieser Kategorie. Gewonnen hat, Needle Engine – seamless 3D web experience, von Needle Tools GmbH aus Halle. Needle revolutioniert das Web mit 3D und setzt neue Standards für die Erstellung und Verbreitung von immersiven Web-Anwendungen. Virtual und Augmented Reality verändern die Internetnutzung, und die Plattform ermöglicht die nahtlose Integration von 3D-Inhalten in moderne Entwicklungsprozesse. Designer und Entwickler können mit vertrauten Tools wie Unity, Blender oder Omniverse Inhalte für verschiedene Geräte erstellen. Die Needle Engine gewährleistet schnelle Arbeitsabläufe und maximale Flexibilität dank integrierter Bausteine und automatischer Optimierung.
Best Installation
Der Fokus lag auf ganzheitlichen XR-Erfahrungen, die sowohl Hard- als auch Softwareprojekte umfassen und entweder ortsgebunden sind oder in Verbindung mit einer Installation erlebt werden können. Als Gewinner wurde die Installation „Meta Alchemia“ von der govar GmbH aus München ausgewählt.
Stell dir vor, du trittst durch ein Portal und findest dich im antiken Ägypten wieder, vor einem riesigen falschen Tor, kunstvoll mit Hieroglyphen und Symbolen einer längst vergessenen Ära verziert. Dank govar’s modernster erweiterter Realitätstechnologie wurde diese Vision für Besucher im REM Mannheim zur Realität. Die Möglichkeit, durch ein altes Artefakt zu gehen, zeigt die Kraft der Technologie bei der Bewahrung und Teilung unseres reichen kulturellen Erbes.
Zeitgeist
Gesucht wurden Anwendungen, die den Nerv der Zeit treffen, also aktuellen Zeitbezug haben. Von Journalismus bis Kunst, oder narrativen Erlebnissen — hier wurden Projekte eingereicht, die durch Geschehnisse, Gegebenheiten und Herausforderungen der Gegenwart geprägt sind. Der Award ging an You Destroy. We Create, von nowhere.Media aus Berlin.
Was passiert, wenn Museen ihre Sammlungen nicht mehr zeigen können, sondern sie verstecken müssen? Was bedeutet es, Straßenkünstler während des Krieges zu sein? Welche Musik macht man, wenn das eigene Land angegriffen wird? „You Destroy. We Create“ entführt dich auf eine immersive Reise durch die Ukraine, wo Künstler und Kulturschaffende Kunst schützen, wiederaufbauen und erschaffen. Seit Beginn des Krieges sind Tausende von Zivilisten gestorben und sieben Millionen haben das Land verlassen. Ein weiteres Opfer ist die Kultur.
International Production
Zum zweiten Mal öffnete der Verein nextReality.Hamburg den XRC für weltweite Einreichungen. Ausgezeichnet wurde Dreaming of Lebanon von DPPA Innovation Cell aus den USA. „Dreaming of Lebanon“ ist eine Virtual-Reality-Dokumentation, die eine immersive Erfahrung in das Leben junger Libanesen und ihre Hoffnungen für die Zukunft bietet. Die Dokumentation nutzt modernste 360-Grad-Filmtechnologie, die es den Zuschauern ermöglicht, interaktive Interviews mit drei jungen Libanesen aus verschiedenen Lebensbereichen und Regionen des Landes zu führen, um ihre Realitäten zu erkunden. (Bild: Adrian Meyer und Martin Waehlisch)
Community Award
Jede Einreichung hat zusätzlich die Chance, am Publikumspreis teilzunehmen. Die Anwendung Deepfake Detective von holonative aus Kiel bekam in diesem Jahr die meisten Stimmen der Community.
KI-Bildbearbeitungstools ermöglichen schnelles Vermessen und Ändern von Gesichtern. Die technologisch und künstlich verzerrte Wahrnehmung ist eine gesellschaftliche, politische und individuelle Herausforderung. Eine VR-Anwendung wurde entwickelt, um Schülerinnen als „Deepfake Detektive“ zu schulen, damit sie Auffälligkeiten im Videomaterial erkennen können. Das Spiel ist Teil eines Workshops, in dem die Teilnehmerinnen den Einfluss von Deepfakes auf unsere Welt und Gesellschaft kennenlernen und den Umgang mit veränderten oder authentischen Inhalten erproben. (Bilder: Dennis Przytarski und Begleitung)
Nachdem alle Gewinner:innen der 9 Kategorien ihren Preis erhielten, ging es nach einem kurzen Interview und Fotoshooting zur XRC23 After-Show-Party ins VRHQ – Virtual Reality Headquarters in der Speicherstadt Hamburg.
Der gemeinnützige Verein bedankt sich bei der Stadt Hamburg – Amt Medien, MSM.digital, Meta, Carlsberg und Wilder Mind Dry Gin für die Unterstützung des XRCs.
Vorstand nextReality.Hamburg e.V.: Lars Eckernkemper, Claudia Kiani, Simon Graff, Susanne Ahmadseresht, Frank Steinicke